Barbaresco Riserva Montestefano Vertikale 2001 – 2017 (in German)

Produttori del Barbaresco – ein Name, der jedem Liebhaber von traditionellem Nebbiolo Emotionen entlockt. Für mich war die wohl berühmteste Winzergenossenschaft der Welt lange Zeit eine Quelle für bezahlbaren, traditionell hergestellten, lagerfähigen Barbaresco. Häufig gut, vereinzelt sehr gut, sehr selten herausragend. Die Weine waren in vernünftiger Menge verfügbar, zeichneten sich durch ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis aus und reiften in der Regel sehr gut. Ausserdem empfand ich die Weine immer als sehr transparent in Bezug auf ihre Herkunft, der Montestefano schmeckte anders als der Asili, dieser wiederum anders als der Rabaja oder der Pora. Ich habe über die Jahre an mehreren Horizontalverkostungen teilgenommen, bei denen gerade dieser Terroirgedanke wunderschön zum Ausdruck kam.

Über die Jahre hat sich unter der Führung des grossartigen Aldo Vacca ausserdem die bereits hohe Qualität der Weine nochmals deutlich verbessert. Heute gehört Produttori del Barbaresco zweifellos zu den Benchmark-Produzenten für Barbaresco und die Winzergenossenschaft ist jedem Liebhaber von Nebbiolo ein Begriff. Es gibt nicht viele Produzenten in Barbaresco, die heute regelmässig eine so hohe Qualität über sämtliche Weine eines Jahrgangs aufweisen. Der Barbaresco Annata bleibt mit Preisen von in der Regel unter CHF 40.-, die Riservas/Crus mit Preisen von ca. CHF 50.- weiterhin hoch attraktiv, die Verfügbarkeit der Weine ist aufgrund der teilweise sehr hohen Ratings durch verschiedene Kritiker, insbesondere durch Antonio Galloni (Vinous), jedoch etwas eingeschränkter geworden.

 

Produttori del Barbaresco – Früher und heute

Vor 1894 wurde in Barbaresco bereits Weinbau betrieben, jedoch landeten die damals angebauten Nebbiolo-Trauben im bereits bekannteren Barolo oder einem einfacheren Wein, dem «Nebbiolo di Barbaresco». 1894 entstand dann die erste Winzergenossenschaft im Dorf, die «Cantina Sociale di Barbaresco». Der damalige Rektor der önologischen Schule in Alba, Domizio Cavazza, stellte fest, dass der Nebbiolo aus Barolo und Barbaresco sich deutlich unterscheideten und initiierte die «Cantina Sociale», um einen Nebbiolo mit Herkunftsbezeichung «Barbaresco» herzustellen. Während des Faschismus der Dreissigerjahre schloss aber die Cantina Sociale wieder ihre Pforten, um dann erst 1958 als «Produttori del Barbaresco» wieder aktiv zu werden. Der damalige Priester des Dorfes erkannte, dass die verschiedenen kleineren Winzer nur mit gemeinsamer Infrastruktur und Verwaltung erfolgreich sein konnten, so entstanden die heutigen «Produttori del Barbaresco». Die ersten Jahrgänge wurden im Keller der Dorfkirche vinifiziert, die bis heute auf dem kleinen Platz direkt gegenüber den «Produttori del Barbaresco» steht.

Heute besteht die Winzergenossenschaft aus 51 Mitgliedern, die rund 100 Hektaren Reben bewirtschaften. Dabei geniessen die Familien volle Kontrolle über ihre Rebberge, können aber von den immensen Vorteilen der gemeinsamen Tätigkeiten und dem Know-How der Genossenschaft profitieren. Produttori del Barbaresco stellt einen einfacheren, aber sehr guten Nebbiolo Langhe, ei-nen Barbaresco (Annata) aus verschiedenen Lagen sowie 9 Einzellagen-Barbarescos aus einigen der prestigeträchtigsten Lagen in Barbaresco her, nämlich Asili, Rabaja , Pora, Montestefano, Ovello, Paje, Montefico, Muncagota und Rio Sordo. Die Produttori del Barbaresco stellen in einem normalen Jahr ca. 550’000 Flaschen Nebbiolo her, davon entfallen ca. 50% auf den Barbaresco Annata, rund 30% auf die Barbaresco Einzellagen und 20% auf den Nebbiolo Langhe.

 

Montestefano

Montestefano ist eine der historischen und renommiertesten Einzellagen in Barbaresco und wird häufig in einem Atemzug genannt mit den anderen Toplagen der Gemeinde wie Rabajà und Asili. Montestefano ist ca. 4.5 Hektaren gross, hat Süd-/Südost-Exposition und befindet sich auf einer Höhe von 230 bis 280 Metern über Meer. Die Lage zeichnet sich durch besonders Calcium-haltige Kalksteinböden aus, was den Weinen eine mächtige Tanninstruktur verleiht. Das Tannin in Montestefano wird aber häufig durch eine extra Portion Frucht, Körper und Aromatik verhüllt. Dies und die etwas höhere Reife der Reben wird unter anderem durch die relative Wärme dieser Süd-/Südostlage hervorgerufen. Aufgrund dieser Merkmale gilt Montestefano auch als eine der Barbaresco-Lagen, deren Charakter, stark verallgemeinert, am ehesten mit Barolo vergleichbar ist. Dementsprechend reifen die Weine auch sehr gut. Sogar Weine aus den 70er-Jahren können heute, bei guter Lagerung, noch faszinierend und lebendig sein. Ich habe zum Beispiel schon lebendige und komplexe Barbaresco Annata 1970 und 1974 getrunken, welche ein wunderbares Zeugnis über die Zeitlosigkeit dieser Weine ablegen. Der Barbaresco Montestefano von Produttori del Barbaresco wird seit dem Jahrgang 1974 hergestellt und seit den 70er-Jahren werden die Weine sehr traditionell hergestellt, mit langer Mazeration und Ausbau in grossen «Botti».

 

Die Degustation

Anlässlich einer Vertikalverkostung von 12 Jahrgängen des Barbaresco Montestefano konnten wir uns von der Konsistenz und hohen Qualität dieser tollen Weine erneut überzeugen. Die Degustation wurde vom Weinhändler «Buonvini» in Zürich in sehr sympathischem und professionellem Rahmen durchgeführt. Durch ein Versehen war einer der Jahrgänge (2011) nicht Montestefano, sondern Paje , was aber den sehr guten Gesamteindruck nicht beeinträchtigt hat.

Es war augenscheinlich, dass sich die Tannin-Qualität im Laufe der früheren 10er Jahre (ca. 2013) noch einmal deutlich verbessert hat. Dies mag einerseits mit dem Perfektionismus von Aldo Vacca, dem brillianten Winemaker, zusammenhängen, andererseits aber auch mit den wärmeren Temperaturen, die natürlich auch Barbaresco nicht verschont haben, aber die Tannine insgesamt etwas weicher gemacht haben.

 

Serie 1

Barbaresco Riserva Montestefano 2001, 91 Punkte
Helle rubinrote Farbe, zum Rand hin aufhellend Richtung Kupferrot. Voll ausgereift, aber immer noch lebendig mit schöner Frische, Noten von Veilchen, Teer, etwas Zedernholz, Orangenschale, auch etwas Ledernoten, Trockenfrüchte und etwas Pilze. Mittel+ Körper, mit hoher Säure und mittel-hohem Tannin, das nach heutigem Massstab ein wenig trocknend ist. Guter Abgang. Der Wein wurde im Laufe der Verkostung immer oxidativer. Ich würde ihn bald trinken.

Barbaresco Riserva Montestefano 2004, 94 Punkte
Strukturierter und gefühlt deutlich jünger als 2001, mit tieferer Farbe, Noten von reifen aber kühlen roten Beeren, dunkleren Noten von Teer, etwas Graphit, Gewürzen und balsamischen Noten, auch wieder etwas Zedernholz. Er ist mittelkräftig, tief und mit sehr guter Persistenz, er hat eine eher hohe Säure und ziemlich hohe Tannine, die gute Qualität zeigen. Sehr gute Länge. Ausgezeichnet. Dies ist ein wirklich sehr guter Montestefano und in der Vertikale war er der beste der älteren Jahrgänge. Der Wein hat noch ein ziemlich langes Leben vor sich.

Barbaresco Riserva Montestefano 2005, 92 Punkte
Tiefe Farbe, noch ziemlich jugendlich. Noten von roten Beeren, auch etwas dunkle Früchte, Minze, Lack, etwas Kräuternoten, etwas frischer und jugendlicher als einige der andere Weine. Mittlerer Körper, etwas leichter als 2004, mit ebefalls hoher Säure und mittel-hohem Tannin, das etwas weniger ausgeprägt ist als bei 2004 und 2001. Gute Länge. Sehr gut, aber vielleicht nicht so gehaltvoll wie 2004.

Barbaresco Riserva Montestefano 2007, 94 Punkte
Der 2007er zeigte sich sehr schön. Gesunde Farbe, tief und rubinrot mit etwas Ziegelrot. Es zeigen sich Noten von getrockneten Früchten, reife Pflaumen, Graphit, etwas Teer, aber auch florale Noten, insgesamt etwas reifer, aber immer noch mit mittel bis hohem Tannin, das fast vollständig von der opulenteren Frucht umhüllt wird. Schöne Frische mit mittel + Säure. Ziemlich vollmundig. Gute Länge. Opulenter, runder und vielschichtiger als einige der anderen Jahrgänge, mit sehr guter Persistenz und Länge.

 

Serie 2

Barbaresco Riserva Montestefano 2008
Von der Farbe her scheint er nicht sehr alt zu sein, aber etwas matter und weniger glänzend als der Rest der Weine. Ein Hauch von Oxidation, nicht sehr aromatisch im Moment. Vielleicht keine perfekte Flasche oder in einer sehr verschlossenen Phase im Moment, m.E. eher eine nicht perfekte Flasche. Keine Bewertung (NR). Ich hatte diesen Wein mehrere Male über die letzten Jahre und er hat sich immer hervorragen und eher jugendlich gezeigt.

Barbaresco Riserva Montestefano 2009, 92 Punkte
Offen, rund und extovertiert, aber auch etwas weniger dicht und reichhaltig als einige der anderen. Er ist ziemlich rund und bietet nicht ganz die Klasse der besten Weine der Serie, aber immer noch sehr schön, mit mittelhohem Tannin, mittel+ Körper und mittel+ Säure. Gute Länge. Ein sehr guter Wein in einer Reihe von Weinen, von denen einige noch besser waren.

Barbaresco Riserva Pajè 2011, 93 Punkte
Dies war ein “Pirat” in der Montestefano-Vertikale. Offen und zugänglich, etwas wärmer und reifer, mit Noten von tief dunkelroten Früchten, auch einige Kräuternoten, Mineralität, auch einige Gewü rze. Er zeigt einen mittel bis vollen Körper, mit mittelhohem Tannin und einer mittel+ Säure. Gute Länge. Ein bisschen weniger komplex als die besten Weine, aber offen und trinkbereit. Ich würde das Schicksal in Bezug auf weiter Lagerung nicht herausfordern. Der Wein zeigte einen Hauch von Oxidation nach einiger Zeit im Glas.

Barbaresco Riserva Montestefano 2013, 95+ Punkte
Tiefe Farbe, nicht viele Zeichen des Alterns. Noch jung, aber voller Potenzial, zeigt er balsamische Noten, Nadelbaum, etwas Menthol, auch einige Kräuternoten, tiefe dunkelrote Beeren, auch etwas dunkle Pflaume, Zedernholz, Graphit und Teer, insgesamt ausgezeichnete Geschmackstiefe und Komplexität. Hervorragendes Gleichgewicht von Frucht und Tannin, hohe Säure und mittel-voller Körper, ausgezeichnete Länge. Ein großartiger Montestefano, der, obwohl er noch jung ist, großes Potenzial zeigt. Dies war einer meiner Favoriten in der Vertikale, ein ausgezeichneter Barbaresco der obersten Klasse.

 

Serie 3

Barbaresco Riserva Montestefano 2014, 93+ Punkte
Tiefe und jugendliche Farbe, sehr klassisch, aber gut ausbalanciert. Noten von dunklen Beeren, auch einige rote Beeren, etwas Teer, Graphit, Veilchen, mit etwas Luft zeigt der Wein auch eine tiefe mineralische Note und etwas Leder. Mittelkräftiger Körper, mit mittelhohem Tannin, das von ausgezeichneter Qualität ist, und eher hoher Säure. Sehr gute Länge. Der Wein wirkt noch ziemlich jung, aber sehr klassisch, mit sehr gutem Potenzial. Etwas für Puristen und Liebhaber von old-school Barbaresco.

Barbaresco Riserva Montestefano 2015, 93 Punkte
Offen, strahlend und macht wirklich Spass, das zu trinken. Noten von tief dunkelroten Früchten, Pflaumen, etwas Menthol, Tabak, Nadelbaum, Graphit, auch einige blumige Noten. Er hat mittel-volleren Körper, mit mittel + Säure und mittel-hohem Tannin, das fast von der Frucht überdeckt wird. Gute Länge. Ein «crowd-pleaser», der schon jetzt gut zu trinken ist, aber vielleicht nicht die Struktur und Alterungsfähigkeit der besten Weine in der Serie hat. Der Spassfaktor ist aber sehr hoch

Barbaresco Riserva Montestefano 2016, 97+ Punkte
Super strahlend, extrovertiert, parfümiert, komplex und ätherisch, das ist etwas, in dem ich baden möchte. Explosiv, reif, aber auch schön strukturiert und frisch, mit Noten von dunklen Pflaumen, einigen dunklen roten Beeren, Menthol, Minze, Teer, Tee, auch einige ledrige Aromen, Balsamico, etwas Pinie. Er ist reif und explosiv, aber gleichzeitig total Montestefano. Mittel-kräftiger Körper, mit mittelhoher Säure und mittel bis hohem, wunderbar weichem und samtigem Tannin. Langer Abgang. Ein komplexer, kompletter Barbaresco auf höchstem Niveau. Der Wein des Abends, mit deutlichem Abstand.

Barbaresco Riserva Montestefano 2017, 93 – 94 Punkte
Fühlt sich noch sehr jung an, primär, mit balsamischen Noten im Vordergrund, aber auch einige schöne reife Früchte, mit Noten von roten Beeren, einige blumige Noten, Minze, auch etwas Mineralität, es zeigen sich auch Noten von Pfeifentabak. Mittelkräftiger Körper, mit mittlerer Säure und mittelhohem Tannin. Sehr gute Länge. Ein wirklich schöner, aber noch sehr junger Wein.

 

Autor: Markus Kumschick, WSET III
März 2024